Grundregeln des journalistischen Schreibens

Grundregeln des journalistischen Schreibens

Oftmals sind wir am Stöhnen, wenn wir Formulare ausfüllen, Dokumente lesen und amtliche Briefe verstehen müssen. Denn meist sind sie unverständlich ausgedrückt, mit vielen Fachwörtern versehen und umständlich formuliert. Eine präzise, klare und verständliche Sprache wird geschätzt, in vielen Redaktionen bevorzugt und vom Leser geliebt. Viele Journalisten und Redakteure möchten ihre Texte aufwerten mit schmucken Wörtern, ausführlichen Formulierungen und viel Drumherum.

Dabei liegt auch hier das gute so nah, denn einfach ist oft die beste Lösung. Wer klar, knapp, aber präzise und anschaulich schreibt, erreicht den Leser viel besser als jemand, der seinen Text unnötig verlängert und umständlich schreibt. Ein beliebter und viel zitierter Rat von Erich Dombrowski, Mitbegründer der FAZ, Journalist und Schriftsteller (1882 – 1972), lautet:

„Ihr müsst so schreiben, dass euch die Marktfrau am Dom versteht, der Winzer in
Rheinhessen das Blatt lesenswert findet und auch der Universitätsprofessor euch
ernst nimmt.“

Lediglich über brisante, hochaktuelle und wirklich interessante Themen darf länger geschrieben werden – sofern sie spannend, deutlich und klar geschrieben wurden. Eine Regel für das journalistische Schreiben besagt: Kein Satz mit mehr als 15 Wörtern und kein Artikel mit mehr als 100 Zeilen. Diesen Leitsatz sollten sich Journalisten und Redakteure zum Grundsatz machen. Es darf nicht vergessen werden, dass der Verfasser mit seinem Leser indirekt kommuniziert, er muss sich auf ihn einstellen. Je nach Medium, in dem der Artikel erscheint, muss der Schreibstil angepasst werden.

Die Leser der FAZ beispielsweise erwarten andere Texte als Leser der Bild am Sonntag und wer das Handelsblatt liest, möchte weder über Prominente noch über das aktuelle Sportgeschehen informiert werden. Die Zielgruppe darf nie aus den Augen verloren werden. Ein ebenfalls guter Tipp für das Verfassen von Artikeln: Stets so schreiben, wie man es einem guten Freund oder dem Partner sagen würde. Den fertigen Artikel jemand neutralem zeigen, der mit dem Thema nicht viel zu tun hat. So gibt es ein reelles Feedback, die Verständlichkeit und Prägnanz betreffend.

Es gibt 15 Grundregeln für das journalistische Schreiben, an die sich ein Journalist oder Redakteur halten sollte, wenn er seine Leser dauerhaft an sich binden möchte. Sie sind leicht umzusetzen, für jeden verständlich und gut einzuprägen. Diese Regeln sind für sämtliche Textarten anwendbar und für jedes Genre geeignet.

1. Verständlich schreiben

Selbst wenn das Thema noch so umfangreich ist, sollten Schachtelsätze vermieden werden. Besser ist es, den Inhalt auf mehrere Sätze zu verteilen und lieber öfter einen Punkt zu setzen als ein Komma. Schachtelsätze sind aufgebaut wie Schachteln, die in anderen Schachteln liegen), Beispiel:

Hans versprach mir, dass er, sobald sich seine finanzielle Situation, die im Moment ein wenig angespannt ist, verbessert hat, die Rechnung, die noch offensteht, zahlen wird.
Besser:
Die finanzielle Situation von Hans ist im Moment ein wenig angespannt. Er hat versprochen die Rechnung zu zahlen, sobald sich die Situation verbessert.

Umständliche Wortbildungen können selbst in kurzen Sätzen für Unverständlichkeit sorgen.
Beispiel:
Die an dem von dem vor dem Amtsgericht liegenden Platz abgehenden Straße befindlichen Barracken werden abgerissen.
Besser:
Die Barracken in der Nähe des Amtsgerichts werden abgerissen. Die Straße, in der die Barracken stehen, befindet sich direkt vor dem Amtsgericht.

2. Kurze Sätze

Besteht ein Satz aus mehr als 15 Wörtern, gilt er als lang und kompliziert zu formulieren. Besser ist ein Mix aus langen und kurzen Sätzen, bei denen sich Rhythmus und Melodie des Textes abwechseln.

3. Im Aktiv schreiben, Passiv vermeiden
Beispiel:
Ein Haus wird von Peter gebaut.
Besser:
Peter baut ein Haus.

Leider finden sich in vielen Schriftstücken Passivsätze. Ganz oft finden wir sie in Briefen von Behörden und in vielen Sachtexten. Wer gute Texte schreiben möchte, verzichtet möglichst auf den Passiv und schreibt im Aktiv. Aktive Sätze geben Ausschluss über die handelnde Person, den Ort der Ausführung, mit oder gegen wen die Person arbeitet und was sie wie ausführt. Verschleierte Sachverhalte werden nicht gern gesehen und können zu Missverständnissen führen. Ein gutes Beispiel ist folgender Satz: 3000 Arbeiter mussten entlassen werden. Stellt sich die Frage von wem und warum. Wer ist der Hauptverantwortliche? Und auf welcher Grundlage basieren die Entlassungen? Besonders bei Pressetexten ist es wichtig im Aktiv zu schreiben. Denn woher sollen Journalisten wissen, an wen sie sich für eine Stellungnahme wenden müssen?
Allerdings gibt es zwei Ausnahmefälle. Im Passiv darf geschrieben werden, wenn eine Person etwas erleidet (die alte Dame wurde zum 5.Mal von einem Hund gebissen) oder die Person im Vordergrund uninteressant oder nicht bekannt ist (die Zweigstelle bleibt heute aufgrund einer internen Fortbildung geschlossen).

4. Synonyme und starke Verben nutzen

Starke Verben machen einen Text lebendig. Sämtliche Handlungen sollten anschaulich mit Verben beschrieben werden. Allerdings müssen sie zum jeweiligen Thema passen und dürfen nicht überzogen sein.
Beispiel:
Die Kinder sagen, dass…
Besser:
Die Kinder beschweren sich, dass sie erst nach dem Essen in den Garten dürfen.
Nach Möglichkeit und an passender Stelle sollten Synonyme sich ständig wiederholende und nichtssagende Worte ersetzen. Dazu zählen unter anderem sagen, reden, gucken, machen, gehen, man, er, sie, tun. Die Synonyme dürfen den Sinn eines Satzes nicht verändern und müssen zum Inhalt passen. Nicht zu viele benutzen, sonst ist der Text schwer lesbar.
Beispiel:
Er sagte, dass er morgen gucken wird, was er mit der Anfrage machen wird.
Besser:
Der Mitarbeiter (je nach Thema und Vorlage, kann auch der Kunde, der Nachbar, der Praktikant sein) versprach, dass er morgen nachschauen wird, wie mit der Anfrage verfahren werden soll.
Überladen:
Der Mitarbeiter teilte uns/ mir mit, dass dieser am morgigen Tage überlegt, wie die Anfrage am besten von ihm bearbeitet werden könnte.

5. Keine Substantivierung von Verben

Wer Substantivierungen benutzt läuft Gefahr, zu viele Passivkonstruktionen zu kreieren. Wo immer es passt, sollten Verben sinnvoll eingesetzt werden. Kein Substantiv einsetzen wo ein Verb dem Text mehr Stärke und Farbe verleihen kann. Durch Verben ist die Aussagekraft eines Satzes viel stärker und die Botschaft wird direkt übermittelt. Verben führen automatisch zu Aktivkonstruktionen.
Beispiel:
Die Immunisierung des Jungen fand gegen Mittag statt.
Besser.
Der Arzt immunisierte den Jungen um 12 Uhr mittags.

6. Konkret schreiben

Jedes Thema, auch heikle und umfassende, lassen sich anschaulich erklären. Ein wichtiger journalistischer Grundsatz ist ein Thema zu finden, das wirklich jeden anspricht und ein beliebiges Thema so zu schreiben, dass es jeden interessiert. Es muss nicht immer weit ausgeholt werden, um den Punkt zu treffen. Die Zielgruppe interessiert das Wesentliche, der Kern einer Sache. So zum Beispiel ist es völlig unwichtig, ob bei der Vorstandswahl der Vorsitzende seinen Anzug korrekt getragen hat oder ob es während der Wahl ein Buffet gab. Die Leserschaft möchte wissen, wer zum Vorstand gewählt wurde und mit wie viel Stimmen. Der deutsche Journalist und Sprachkritiker Wolf Schneider sagte zu diesem Thema einmal, dass bei dem Ausruf Alle Mann an Deck jeder sofort weiß, was das bedeutet. Niemand muss eine spezielle Ansage machen, in der jeder Angehöriger des Personals und der Fahrgäste, die sich unter Deck befinden und ohne Ansehung von Geschlecht und Alter, unverzüglich nach oben kommen soll.

7. Vorsicht vor Adjektiven

Viele von uns haben damals in der Schule im Deutschunterricht mit auf den Weg bekommen, dass wir unbedingt Adjektive in unsere Texte einbringen sollen. Sie veranschaulichen einen Text und verstärken Substantive sowie Eindrücke und Zustände. Das mag für Aufsätze und in der Belletristik stimmen, beim journalistischen Schreiben sollten Adjektive jedoch sparsam verwendet werden. Sie blähen Texte unnötig auf, lassen Pressemeldungen oder Berichte wie Werbung aussehen, lassen falsche Doppelbilder entstehen und verleiten zu bürokratischen Konstruktionen.
Beispiel:
„Die glücklichen und zufriedenen Kunden von Autohaus Mustermann können dem nur beipflichten.“ Wirkt wie Werbung.
Neu renoviert, die tote Leiche, eine verheerende Katastrophe, der brutale Mord, der kleine Zwerg oder der schwarze Rappen sind Tautologien und unsinnig. Ein Mord ist immer brutal, ein Rappen von Geburt an schwarz und bei einer Leiche handelt es sich grundsätzlich um einen toten Menschen.
Besser:
Viele Kunden des Autohauses Mustermann bestätigen den freundlichen Service der kompetenten Mitarbeiter.
Oder:
Der Mord im Villenviertel war seit Jahren die erste Katastrophe, die die ganze Stadt in Angst und Schrecken versetzte.

Hilfreich sind Adjektive nur, wenn sie wichtig für die Unterscheidung oder Aufklärung sind.
Beispiel:
Das rote Auto, das Haus mit der blauen Tür, ein klärendes Gespräch, seine kräftigen Finger.

8. Füllsel (Füllwörter)

Füllwörter sind der Tod eines jeden Journalisten. Sie ziehen Sätze unnötig in die Länge, machen den Text unflüssig und schwer lesbar. Im schlimmsten Fall liest der Leser nicht bis zu Ende und die Botschaft kommt nicht an. Natürlich können ein, zwei Füllsel benutzt werden, dennoch sollte grundsätzlich eine andere Formulierung versucht werden, um diese Wörter zu umgehen. Wer mit möglichst wenig bis keine Füllsel arbeitet, sorgt für mehr Tempo im Text, er wird verständlicher und anschaulicher. Zu den am meisten benutzten Füllwörtern zählen:

– Besonders
– Anscheinend
– Augenblicklich
– Hier und da
– Im Prinzip
– In etwa
– Irgendwann, irgendwo, irgendwie
– Inzwischen
– Gelegentlich
– Ein bisschen
– Vielleicht
– Wahrscheinlich
– Ziemlich
– Weitgehend
– Sonst
– Immerzu
– Im Allgemeinen
– Folgendermaßen
– Aber
– Größtenteils
– Neuerdings

9. Amtsdeutsch vermeiden

Behördenbriefe und ähnliches sind häufig in der typischen Behördensprache geschrieben, auch Amtsdeutsch genannt. Meist stehen die Sätze im Passiv, quellen über vor Fachwörtern und sind sehr unverständlich. Konkrete und persönliche Aussagen machen Texte lebendiger und interessanter.
Beispiel:
Sie müssen den Brief mit einem Wertzeichen versehen.
Besser:
Auf diesen Brief gehört eine Briefmarke.
Beispiel:
In diesem familiären Zusammenhang….
Besser:
In dieser Familie…. Oder Mutter, Vater und Kind haben gemeinsam….
Beispiel:
Der Fahrtrichtungsanzeiger muss stets beim Ausfahren des Kreisverkehrs unbedingt gesetzt werden.
Besser:
Beim Verlassen des Kreisels muss auf jeden Fall der Blinker benutzt werden.

10. Fachwörter verständlich erläutern

Wer Fachwörter in seinen Texten nutzt, sollte sie erklären und nicht einfach so stehen lassen. Man muss stets damit rechnen, dass nicht jeder Leser die Fachbegriffe versteht. Die Verlockung ist groß, die ins Blut übergegangene Unternehmer- oder Fachsprache zu benutzen. Am besten ist es in diesem Fall, den Text von einer branchenneutralen Person gegenlesen zu lassen. Das garantiert ehrliches Feedback. Sollte es nicht möglich sein, Fachwörter zu umgehen, dann müssen sie erklärt werden. Gerade dann, wenn das eine oder andere Fachwort mehrmals im Text vorkommt. Das gleiche gilt für Abkürzungen, auch sie müssen kurz erläutert werden. Fachwörter werden bei dieser Vorgehensweise nicht missverstanden und niemand muss mühsame Übersetzungsarbeit leisten. Zu guter Letzt sollten Eigennamen von Vereinen, Ämtern oder Institutionen, die recht lang und nicht für jedermann bekannt sind, kurz erklärt werden, damit sie im Rest des Textes abgekürzt für sich stehen können.
Beispiel:
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) hat ein Projekt für gesunde Ernährung in Einklang mit Gesundheit, Wohlbefinden und körperliche Leistung ins Leben gerufen. Dieses Projekt heißt IN FORM. Dafür hat der DGE ein Logo entwickelt, das ausschließlich gesunde und nach bestimmten Bewertungskriterien ausgewählte Rezepte erhalten.

Beispiel:
Die Härtefall-Kommission muss nächste Woche über den Fall des aus Syrien stammenden H. M. entscheiden, der in drei Monaten das Land verlassen soll. Die Härtefall- Kommission ist eine Gruppe von Fachleuten, die für Ausländer über das Bleiben oder Verlassen eines Landes bestimmen müssen. Dies ist unter anderem der Fall, wenn ein menschlicher Grund vorliegt, im jeweiligen Land zu bleiben.
Vorsicht ebenfalls vor Wörtern, die Insiderwissen betreffen. Nicht jeder kennt sich in der Kosmetikindustrie oder der Abfallwirtschaft aus; kaum jemand weiß, was ein Emulator ist (Software, die den Funktionsumfang einer Hardware im jeweils aktuellen System nachbildet) oder ein Abendsprung (wildes Springen von Fischen in der Abenddämmerung).

Es gibt lediglich vier Situationen, in denen Fachwörter erlaubt sind:

– Wenn sie für die Allgemeinheit verständlich und nicht übersetzbar sind
(homosexuell)
– Wenn sie verständlich sind und nur sie allein die Botschaft klar vermitteln
– Wenn sie Eigenarten oder bestimmte Atmosphären vermitteln (Hypochonder)
– Wenn sie gebräuchlich oder schon lange eingedeutscht sind (per se, Status Quo)

11. Menschlich schreiben, Menschen zitieren

Wer relevante Zitate in seinen Texten nutzt, lässt sie menschlicher wirken. Die Texte erhalten ein Gesicht, sie werden lebendig. Man sollte nicht nur steif über ein Thema berichten, sondern wenn Menschen darin vorkommen, sie handeln lassen. So erhöht sich die Chance, dass die Leser den Text bis zum Ende lesen.

12. Zahlen und Größen bildlich werden lassen

Wer in seinen Texten Größen und Zahlen verwendet, der sollte es seinen Lesern leicht machen und ihnen Vergleiche bieten. So werden Relationen greif- und sichtbar und die Leser können die Texte und deren Inhalt besser umsetzen. Sehr gern wird für diesen Zweck das Fußballfeld benutzt.
Beispiel:
Das neue Gelände des Stahlkonzerns ist so groß wie fünf Fußballfelder.
Beispiel:
Insgesamt wurden letzte Woche 20000 Pakete und Briefe verschickt. Das entspricht einem Gewicht von ca. 2500 Kilogramm.

Bilanzen und Jahreszahlen werden anschaulicher, wenn sie in Bezug zu einer anderen Größe gesetzt werden.
Beispiel:
Letztes Jahr lag unser Gewinn bei 2,8 Millionen. Das sind 800000 Euro mehr als im Jahr davor.
Bei Prozentangaben ist es ebenso förderlich Vergleiche anzuwenden.
Beispiel:
70 Prozent der Käufer sind mit der neuen Produktpalette zufrieden.
Besser:
7000 von 1000 Käufern sind mit der Produktpalette zufrieden.
Dabei sollte Prozent stets ausgeschrieben werden, auf das % Zeichen verzichten.

Ziffern von 1 – 12 werden ausgeschrieben, danach können sie als Zahl geschrieben werden.
Angaben wie Millionen, Kilogramm oder Zentimeter werden ebenfalls ausgeschrieben, Abkürzungen wie kg, cm oder Mio. nicht benutzen. Wenn in Berichten Termine genannt werden, dann stets den genauen Tag benennen.
Beispiel:
Am Donnerstag, den xxx, stellen wir Ihnen die neue Pflegeserie vor statt Morgen findet die Präsentation der neuen Pflegeserie statt.
Verneinungen können nicht in einen journalistischen Text. Sie lassen ihn von Anfang negativ wirken und verschrecken die Leser. Der Leser könnte zudem annehmen, der Verfasser hat etwas zu verbergen.
Bei Vor- und Nachnamen verhält es sich folgendermaßen:
– Auf keinen Fall Frau Becker/ Herr Schmidt sondern Frau Nina Becker/ Herr Ulf
Schmidt
– Muss der Name öfter verwendet werden, dann auf den Vornamen verzichten
– Herr oder Frau wird als Nennung im Text nicht genannt

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